Vilnius

zuletzt bearbeitet: 2018-Oct-23

Litauenflug 2002

In Neubrandenburg war erst einmal Schluss. Bis dahin hatten alle drei Crews großartig die anstehenden  Probleme bewältigt: Getränke und Gepäck laden, auf den Lehrer warten [der hatte zuvor noch Unterricht], auf den in Schottland weilenden Uwe warten [der aber wegen Regens die Insel gar nicht verlassen konnte,  weswegen letztendlich auch ein Platz frei blieb] und sich schließlich durch sehr diesiges Wetter bis nach Lüneburg durchtasten, von wo an die Sichten immer besser wurden, sodass wir in Neubrandenburg  schon einen Sonnenbrand hätten bekommen können. Dass es dazu nicht kam, lag an unnormal vielen und langen Aufenthalten auf dem Tower, der für gut zwei Stunden zur Kommandozentrale  umfunktioniert wurde.

Was war passiert?

Klaus ist fassungslos:  Auch seine Bonanza war   für Polen nicht versichertNach der ursprünglichen Planung wollten wir direkt weiter bis nach Danzig, dort  übernachten und am Himmelfahrtstag dann nach Vilnius in Litauen fliegen. Leider wurde bei der Flugvorbereitung übersehen, dass infolge der Twin-Tower-Attentate die Polen seit Jahresbeginn 2002 auch von Flugzeugen der Allgemeinen Luftfahrt eine 'Insurance against war and terror risks' verlangen, und diesen entscheidenden Satz hatte  keines der drei Flugzeuge in seinen Papieren. In der Folge wurde viel telefoniert: Natürlich waren die Versicherungsbüros nicht mehr besetzt.  Wolfgang erwischte aber schließlich einen Mitarbeiter der Firma Grümmer über das Mobiltelefon, der fuhr aus dem Einkaufszentrum, wo er gerade war, direkt in sein Büro, alarmierte von dort den Zuständigen in Dortmund, der statt zum Fußballspiel in sein Büro am Flugplatz fuhr und uns die nötigen Bescheinigungen  zufaxte. Und er versicherte auch für diese Tour die beiden Maschinen, die eigentlich bei anderen Gesellschaften gemeldet sind. An dieser Stelle sei der Firma Grümmer und den  beiden Mitarbeitern ganz herzlich gedankt; sie haben uns einen Weiterflug ermöglicht, der wunderschön werden sollte.

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Darüber war es mittlerweile zu spät geworden, um noch nach Danzig zu fliegen, also zogen wir die Schwimmwesten an und flogen an Rügen vorbei nach Bornholm. Dort konnten wir erst einmal entspannen, denn der Einflug nach Polen am nächsten Tag war nun gesichert und auch die Wetterprognosen waren gut.

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Am nächsten Tag flogen wir nach Danzig, tankten, und nach einem Crew-Wechsel gings auf den in Polen  vorgeschriebenen Flugrouten und -höhen [1000 ft] nach Litauen.

Es ist ein langer Trip, die D-EGNI [PA 28-140] brauchte etwas über drei Stunden dafür, der aber über die masurischen Seen führt und landschaftlich sehr reizvoll ist. Kräftiges Gelb der Rapsfelder wechselte mit saftigem Grün der Felder und Wälder und dem meist klaren Blau der Seen.

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Über schöne Städte hinweg führt die Flugroute, sodass  etliche Sightseeingturns fällig waren, um alles ganz genau und aus der Nähe zu betrachten. Die litauisch – polnische Grenze ist gut sichtbar; ein Zaun trennt die Länder. Sofort ist auch ein Landschaftswechsel zu bemerken: Die Felder sind spärlicher bebaut  -  wir vermuten, dass weniger Dünger zur Verfügung steht, auf riesigen Weiden verlaufen sich zwei oder drei Kühe und häufig sahen wir die Bauern mit Pferd und Pflug bei der Arbeit. Die Kontakte mit der Luftsicherung waren problemlos: Sowohl die Polen als auch die Litauer Controller sprechen einwandfreies Englisch und gaben uns nach Möglichkeit Freigaben für ein  'Direct-Routing'.

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In Vilnius wurden wir sehr herzlich begrüßt: Herbert, einziger Nicht-Pilot der Tour, hat seine litauischen Freunde auf unser Kommen vorbereitet, und was wir an den beiden folgenden Tagen an Gastfreundschaft und menschlicher Herzlichkeit erleben durften, wird  uns ganz sicher lange in Erinnerung bleiben. Es war wirklich für alles gesorgt, und wir bekamen mehr von der Stadt zu sehen, als unsere Augen fassen konnten. Zudem gab es fachkundige Erläuterungen zu der litauischen Geschichte, sodass die Gebäude auch für unsere Augen zu leben anfingen.

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Die Stadt hat wenig Kriegsschäden zu beklagen, sodass die sehr  schöne Altstadt wirklich ein Juwel ist. Allerdings ist sie auf Grund der jüngeren Geschichte von einem Ring von Plattenbauten umgeben, der wenig ansehnlich ist.

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Die Rücktour am Sonnabend führte bis nach Danzig; auch diese Stadt ist ausgesprochen schön und lädt  zu einer ausgedehnten Besichtigungstour ein. Auf dem Flug dorthin nutzten wir die Spielräume, die die Flugrouten uns ließen, und wir flogen ganze Seen ihrer Länge nach ab, jede Biegung für 'steep-turns' nutzend.

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Am Sonntag war für die Rücktour etwa in Höhe von Stettin eine Front vorhergesagt, dahinter sollte das  Wetter wechselhaft mit eingelagerten Schauern und Gewittern sein. Aber die Untergrenzen waren nicht so tief angegeben, dass es nicht fliegbar gewesen wäre. In Stettin angekommen, wurde die Sicht tatsächlich schlechter, aber es blieb bis Neubrandenburg problemlos fliegbar. Nach einem letzten Tankstopp gings dann am Sonntagnachmittag zurück nach Mariensiel, wo wir von dem mittlerweile aus Schottland eingetroffenen Uwe zu Kaffee und Kuchen eingeladen wurden: Vielen Dank!

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Insgesamt war es eine harmonische, fliegerisch und landschaftlich interessante Tour, die zur Nachahmung dringend empfohlen werden kann. Aber eine Warnung an alle, die nach Polen oder darüber hinaus wollen: Kümmert euch rechtzeitig  um die notwendige Versicherungsbescheinigung und faxt diese gemeinsam mit dem Flugplan an die AIS.

An die litauische Familie, der wir  ganz, ganz herzlich für die Betreuung in Vilnius danken.

 

Anm: Der Text stammt von 2002, einige Aussagen können mittlerweile überholt sein.